Anfang von Beteiligung
Wo fängt eigentlich Jugendbeteiligung an? Eine der größten Städte im Osten Deutschlands, in der viele Studierende leben und lernen, hat ein Jugendparlament, das sich sehen lassen kann. In offenen demokratischen Abstimmungen können junge Menschen wählen und gewählt werden. Das Jugendparlament wird fachlich unterstützt, hat ein eigenes Budget und kann sogar Beschlüsse in den Stadtrat einbringen. Wahlbeteiligung 2021: knapp 7 %. Mehr als 93 % der wahlberechtigten jungen Menschen beteiligten sich nicht an der Wahl. Woran liegt das? Wo fängt Jugendbeteiligung an? Die Antwort auf diese Frage muss vom Ende aus gedacht werden und gilt nicht nur für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, sondern für alle Mitspieler:innen im Land. Wer aktiv seine Umwelt gestaltet, hat ein Interesse an den Voraussetzungen, in denen das passiert. Wer Interesse an den Voraussetzungen in seiner Umgebung hat, bringt sich in den demokratischen Diskurs darüber ein. Die Beteiligung von Menschen an der Gesellschaft fängt also dort an, wo sie aus eigener Motivation Dinge in ihrem eigenen Umfeld bewegen. Junge Menschen dafür zu aktivieren ist das Ziel bei: #Machhalt!
Das Förderprogramm
Ende des Jahres 2020 kamen die Stadtmenschen auf FACK zu, das bis dahin noch nicht einmal gegründet war und stellten 10.000,00 € aus dem Bundesprogramm für Nationale Stadtentwicklungspolitik in Aussicht. Der Auftrag: Aus diesem Geld sollen junge Menschen großartige Projekt machen! Eine kleine Gruppe von jungen Akteuren sammelte sich und entwickelte ein von Beginn an exotisches Förderprogramm. Bei #Machhalt! sollte nicht das ganze Jahr Geld in einem Topf vor sich hin köcheln, sondern ein Ideen-Wettbewerb sollte ausgelobt werden. Die Idee dahinter war es, das Förderprogramm nicht dem Mittelgeber am angenehmsten zu gestalten, sondern zielgruppengerecht. Das bedeutet, dass wir…
…die Kontaktaufnahme möglichst direkt gestalten müssen.
…den Prozess möglichst greifbar aufbauen.
…inhaltlich möglichst wenig Grenzen setzen.
Das Ziel des Programms war es schließlich nicht, dass die Mittel alle werden, sondern dass wir junge Menschen dazu befähigen, eigene Ideen umzusetzen und Selbstwirksamkeit zu erfahren. Einen besonderen Fokus wollten wir dabei auf junge Menschen legen, die bisher noch nicht selbständig aktiv waren oder die wir gar nicht kannten.
Bei #Machhalt! starteten wir nun im März 2021 mit „Themensetting-Events“ in drei Altersgruppen. Zu diesen digitalen Runden waren junge Menschen von 7 bis 15, von 16 bis 20 und von 21 bis 27 eingeladen. Hier sprachen wir über die Herausforderungen, die unsere Teilnehmenden in ihrem Landkreis sehen und über die Ideen, die sie hatten. Dieses Format ermöglichte ein erstes Kennenlernen mit einigen Ideengeber:innen, zu denen wir dann individuell und persönlich in Kontakt treten konnten. In den folgenden drei Wochen hatten junge Menschen nun die Möglichkeit ihre Idee einzusenden. Die Hürden dafür waren sehr niedrig, so konnte man unserem Team einfach per WhatsApp, auf Instagram oder per Mail schreiben. In den meisten Fällen hat sich anschließend jemand aus unserem Team mit den Ideengeber:innen getroffen und sie dabei unterstützt, ihr Vorhaben für den anstehenden Wettbewerb auszuformulieren. Auf diese Weise erreichten uns in drei Wochen insgesamt 12 Ideen von 18 jungen Menschen. Besonders bemerkenswert war dabei, dass fast drei Viertel der Teilnehmenden, bisher nicht selbst aktiv waren oder bisher nie mit uns in Kontakt standen. Alle Projektideen zusammen hatten einen Fördermittelbedarf von knapp 30.000 €. Glücklicherweise steuerte „Altenburg am Meer“ weitere 3.850 € bei und auch die Stadtmenschen legten weitere 2.500 € drauf. Die Projektideen starteten dann im öffentlichen #Machhalt! Voting. Hier waren alle jungen Menschen eingeladen, auf der Stadtmensch-Website für das Projekt ihrer Wahl abzustimmen. Innerhalb von zwei Wochen gaben 470 junge Menschen ihre Stimme ab. Nun konnten sechs Vorhaben umgesetzt werden. Die Gewinner:innen verkündeten wir mit Bannern am Altenburger Rathaus, um sie öffentlich zu zelebrieren. Damit begann die Umsetzung der Projekte, von denen wir an andere Stelle mehr berichten.
Lessons Learned
- Individuelle Befähigung ist viel wirksamer als anonymes Streuen von Informieren
- Inhaltliche und finanzielle Offenheit regt die Kreativität an
- Kontaktmöglichkeiten müssen im Alltag der Zielgruppe etabliert sein
- Anregende Ereignisse begeistern mehr als kontinuierliche Programme